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Schmerzstörung: wenn der Körper verrückt spielt

Gastbeitrag– Ich bin Madeleine, 33, Sternzeichen Stier. Eigentlich ein Genießer-Typ also. Leider wurde mir Anfang 2016 vorerst der Genuss am Leben genommen, denn ich wurde mit einer Schmerzstörung konfrontiert. Im Klartext heißt das: ich leide an chronischen Schmerzen, die keinen körperlichen Ursprung haben. Es hat viele Monate, wenn nicht sogar Jahre, gebraucht, bis ich diese Diagnose wirklich verstehen und annehmen konnte.

Meine Schmerzstörung- wie alles begann

Es fing vor gut 3,5 Jahren an. Ich wachte morgens auf und ging zur Arbeit. Doch etwas war anders, ich merkte ein Drücken und Ziehen in der Beckengegend. Das Gefühl wurde von Stunde zu Stunde und von Tag zu Tag schlimmer.. bis es ein ausgewachsener Schmerz war und ich zu nichts mehr fähig. Ich hatte 24 Stunden, 7 Tage die Woche Schmerzen. Mein ganzes Leben änderte sich, es gab plötzlich keinen Alltag mehr. Mit 29 Jahren war ich nicht mehr fähig, zur Arbeit zu gehen oder mein Leben in irgendeiner Form zu genießen. Der Dauerschmerz überschattete alles. Party, Konzerte, Sport treiben, sich mit Freunden treffen, all das war für mich nicht mehr möglich. Selbst stehen oder spazieren gehen fiel mir schwer. Es war die Hölle auf Erden. Teilweise hatte ich echt keine Lust mehr zu leben.

Ein Arzttermin jagte den Nächsten

Da ich kurze Zeit vor Schmerzbeginn mehrmals wegen Hämorrhoiden behandelt wurde, ging ich davon aus, dass diese Beschwerden der Ursprung allen Übels waren. Heute weiß ich, das war nur das Tüpfelchen auf dem i. Für diejenigen unter euch, die das leidige Thema mit den Hämorrhoiden kennen: Osteopathie kann in dieser Sache helfen und hat keine Nebenwirkungen. Ich konsultierte also einen Arzt nach dem nächsten. Notaufnahme – Allgemeinarzt-  Proktologe. Keiner konnte mir helfen, nichts kam im Zusammenhang mit meinem Schmerz heraus. Die verschriebenen Schmerztabletten schlugen auch nicht an, ich lief nur wie benommen durch die Gegend.

Schmerzstörung und das Unverständnis von Außen

Manchmal wollte ich mir die Ohren zuhalten- soviel Mist musste ich mir anhören. Zumindest empfand ich das so. Denn die Ansage “Das ist psychisch.” verstand ich damals so: “Das bilden Sie sich ein”. Auch für Freunde war die neue Situation nicht leicht. Nicht immer traf ich auf Verständnis und erntete somit auch hier ein paar verletzende Sätze.

Madeleine redet mittlerweile ganz offen über ihre Schmerzstörung; Foto: Melanie Wiechert

Schmerzstörung und Sensomotorische Körpertherapie

Rein subjektiv: mir haben alternative Therapiemethoden, wie sensomotorische Körpertherapie nach Dr.Pohl oder Akupunktur mit Geistheilung enorm geholfen. Das Wunderbare bei der sensomotorischen Körpertherapie ist, dass dir bei der Behandlung auch die Selbstbehandlung beigebracht wird, sodass du irgendwann dein eigener Therapeut sein kannst. Hilfe zur Selbsthilfe also. Außerdem habe ich in einem Schmerzzentrum einen sehr einfühlsamen und kompetenten Arzt gefunden. Hier fühle ich mich gut aufgehoben und verstanden. Ich weiß heute, mein Schmerz ist psychosomatisch. Das ist mittlerweile okay für mich, weil ich weiß, der Schmerz will mir etwas sagen. Er kommt durch Altlasten und mein Körper hat nie gelernt, sich selbst zu regulieren und zu entspannen. Er befindet sich in steter Anspannung und dauernd angespannte Muskeln können Schmerzen verursachen.

Den Körper heilen- heißt: die Psyche heilen

Heute verstehe ich sehr viele Zusammenhänge. Auch ungünstige Denkmuster tragen zu Anspannung bei und begünstigen Schmerzen, Ängsten oder Panikattacken. Eine gute Psychotherapie ist sehr wichtig, wenn man unter einem der genannten Symptome leidet.  Für mich war es außerdem ein sehr mutiger Schritt, in eine psychosomatische Klinik einzuchecken – knapp 900km von meinem Wohnort entfernt. Jeder einzelne Kilometer war diese Reise in die Panorama Fachkliniken in Scheidegg wert. Ich bin dankbar für diese einzigartige Erfahrung in der Klinik mit ganzheitlichem Ansatz.

Medikamente

Mit den Ärzten meines Vertrauens habe ich mittlerweile auch ein Schmerzmittel gefunden, welches ich nach Bedarf nehme. Weil ich meinem Arzt in der Schmerzklinik mit der Zeit immer mehr vertraute, konnte ich auch mit ihm zusammen meine Angst vor Antidepressiva abbauen. Er bewies sehr viel Geduld mit mir und stellte mich auf eine Mikrodosis eines Antidepressivums ein, welches den Schmerz etwas reduziert. Schlüsselwort: Mikrodosis! Ich bin der Meinung, Du kannst so viele Tabletten schlucken wie du willst, heilen tun diese dich nicht. Du musst die Ursache bzw. das Thema dahinter auflösen.

Der Schmerz- mein größter Lehrer

Nenn mich verrückt, aber auf einer Seite bin ich meinem Schmerz auch sehr dankbar. Denn nur durch ihn habe ich richtig hinhören, hinsehen und hineinfühlen gelernt. Ich sehe die Welt nun mit anderen Augen, kann mich auch an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen. ich habe meinen Körper und meine Seele besser kennengelernt und bringe mir gegenüber ein größeres Verständnis auf, nicht nur mir, sondern auch meiner Umwelt gegenüber. Klar, das gelingt mir nicht immer, ich übe mich aber jeden Tag darin.

Madeleine und Hund Murphy

Glücklich sein- trotz Schmerzen

Neben all den Therapien gab es auch die ganze Zeit meinen Murphy an meiner Seite- mein Hund, mein Rettungsanker in der ersten schlimmen Zeit. Ich habe eine Zeit lang tatsächlich nur für ihn gelebt. Und da war noch jemand.. denn in dieser krassen Phase meines Lebens, bin ich auch meinem Herzensmann näher gekommen. Meine beste Freundin hat uns ein Jahr zuvor miteinander bekannt gemacht. Heute weiß ich, es war Schicksal- und ich darf ihn nun voller Stolz meinen Ehemann nennen.

Warum ich dir das erzähle? Damit du weißt, auch wenn die Situation noch so, bitte verzeih mir diesen Ausdruck, “beschissen“ ist- gib nicht auf, es kommen auch wieder bessere Tage!

Ich habe das Glück wieder in mein Leben einziehen lassen- trotz Schmerzstörung. Immer wieder erlebe ich Momente oder sogar Tage ohne Schmerz. Diese nehme ich wie ein zweites Leben wahr und genieße sie sehr bewusst. Was hat mir dabei geholfen? Achtsamkeit, radikale Akzeptanz, Abgrenzung, Hoffnung, Dankbarkeit und Mitgefühl!

Mein Weg geht weiter, mein Ziel ist groß und ich gehe jeden Schritt mit Vertrauen.

Wir sehen uns auf meinem Blog!

Herzliche Grüße, deine Madeleine von Schmetterlingseffekt.