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Es noch einmal wagen

Dass ich diesen Artikel heute schreibe, ist mir selbst immer noch ein wenig unheimlich. Nach fast vier Jahren als alleinerziehende Mama steuere ich mein Schiff auf einen neuen Hafen zu. Obwohl doch die Reise auf hoher See auch seine Vorteile hat, will ich es noch einmal wagen.

Es noch einmal wagen

Bislang war ich frei, ungebunden und niemandem etwas schuldig. Ich habe mir mein eigenes schönes Nest gebaut. Ich musste nicht diskutieren über Erziehungsfragen oder alltägliche Entscheidungen. Musste keine Hemden bügeln, keinen Dreck vom Partner wegräumen und mich über Zurückweisung oder Streit ärgern. Ich war frei. Gelegentlich gab es Zweisamkeit für ein paar Stunden, aber mehr, um mein Ego zu befriedigen und nicht ob der Zweisamkeit. Danach kehrte ich wie aus einem kurzen Ausflug zurück in mein Mama-Dasein und war wieder allein mit meiner Kleinen.

Dann ging es im April vergangenen Jahres auf Mutter-Kind Kur, denn es wäre natürlich fahrlässig zu behaupten, das Leben als Alleinerziehende wäre nur schön. Es ist finanziell oft ein Desaster und die alleinige Verantwortung und das ständige “Präsent sein müssen” ohne Pause nagt mehr an einem, als man zugeben möchte. Die Auszeit kam also wie gerufen. Nach fünf Wochen Reha kehrte ich im Mai mit vielen neuen Erkenntnissen in meinen Alltag zurück. Ich war mir meiner Baustellen bewusst geworden und dass ich eigentlich auf der Suche war nach etwas Anderem. Mir selbst. Liebe. Vertrauen.

Vertrauen leben

Genau einen Tag nach meiner Rückkehr ploppte auf meinem Handy eine Whatsapp-Nachricht auf. Von einem Tinder-Match, mit dem ich schon seit zwei Jahren immer wieder Kontakt hatte. Ich hatte den Mann aus mir unerfindlichen Gründen (zumindest damals unerfindlich, doch dazu später mehr) nie gedatet. Wir hatten geschrieben, telefoniert und ich wusste, dass er ein ziemlich guter Typ sein musste- aber irgendwie hatte es nie geklappt. Er schlug ein Treffen vor, um das einfach mal zu klären: entweder wir finden uns scheiße und könnten dann die Nummer und die mögliche Option dahinter löschen- oder eben herausfinden, dass da doch mehr ist. Wir verabredeten uns für das kommende Wochenende. Was folgte, war mein persönlicher Hollywood Moment.

Da war: ER

Ich wartete auf ihn am See und als er kam, blieb die Zeit stehen. Ich sah ihn wie in Zeitlupe auf mich zukommen. Mir blieb mir die Luft weg, ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Starrte auf den Boden, in den Himmel, kurz in seine Augen und war hin und weg. Und der erste Eindruck täuschte nicht. Wir waren perfekt zusammen. Vom ersten Moment an, so nah. Ich wusste relativ schnell, dass ich ihn wollte. Nicht nur sexuell, sondern als Freund, als Kumpel, als Mensch, als Mann an meiner Seite.

Doch wieso hatte es vorher, ganze zwei Jahre lang, nicht einmal für ein Treffen gereicht? Tja- ich war noch nicht soweit, auch wenn ich das nicht wahrhaben wollte. Ich war noch viel zu enttäuscht von meinem Ex, dem Vater meiner Tochter, von mir selbst und ich brauchte dringend Bestätigung von außen. Und zwar schnelle, oberflächliche. Ein Mann wie er wäre vorher schlicht zu viel für mich gewesen.

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Jetzt wagen wir den nächsten Schritt. Im Sommer ziehe ich mit meiner Tochter zu ihm nach Regensburg, meiner Heimat während der Studienzeit vor gut 15 Jahren.

Wir starten das Projekt Familie- neu.

Das ist immer noch unglaublich für mich. Und ich glaube, für ihn auch. 😉 Das Wichtigste dabei: Reden. Wir reden über alles. Unsere Ängste, über “was wäre wenn” und wir helfen uns.

Ich bin mit jedem Tag ein wenig aufgeregter und glücklicher- und ich freue mich so sehr auf diesen neuen Lebensabschnitt. Und durch die Zeit des Alleinseins weiß ich heute, wie viel Abstand ich brauche. Dass Auszeiten wichtig sind. Ich bin manchmal wie ein Fohlen, das wild und mit allen Vieren um sich schlägt. Und dann kommt meine Tochter und macht es nach und wir sind beide außer Rand und Band. Auf Bayerisch sagt man: “Ihr brauchts scho dabacka, ihr Zwoa!”

Ich hätte der Welt so viel zu sagen über Dich, M., aber ich gehe nicht mehr ins Detail.
Nur so viel: Danke, dass Du da bist. Du bist mein Fels in der Brandung.

Mit Dir will ich

Es noch einmal wagen.