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Hormontherapie gegen Großwuchs- ein Erfahrungsbericht

Doreen ist eine wunderschöne junge Frau. Sie wohnt in Augsburg, hat lange blonde Haare, ein feines Gesicht und laaaaange Beine. Sie ist 28 Jahre alt und misst 1,93 m. Das ist aber völlig ok für sie, hatten ihr doch die Ärzte vor gut 10 Jahren eine Größe von 2.10 m prophezeit. Deshalb hat sich Doreen damals als Jugendliche zusammen mit ihren Eltern für eine Hormontherapie gegen Großwuchs entschieden. Und weil mein letzter Artikel zum Thema so viele von Euch interessiert hat, wollte ich es etwas genauer wissen.

Hormontherapie gegen Großwuchs

Doreen, wie alt warst Du bei der Hormontherapie?

Mit ca. 14 Jahren beschäftigten sich meine Eltern und ich aktiv mit der Therapie. Laut der Prognose des Arztes sollte ich ja über 2,10 m groß werden. Diese Schätzung war damals ein echter Schock für mich. Nach Informationsgesprächen mit mehreren Ärzten dauerte meine Therapie ungefähr 3 Jahre lang. Ich musste jeden Tag mehrere Tabletten einnehmen, um die Pubertät frühzeitig zu beenden und somit auch das übermäßige Wachstum. Jeden dritten Monat fuhren wir nach München, um Messungen und Blutuntersuchungen durchführen zu lassen.

Warum haben sich Deine Eltern für eine Hormontherapie entschieden?

Mein Vater ist 1,96m und meine Mama 1,75m. Jedoch ist die Familie mütterlicherseits deutlich größer als der deutsche Durchschnitt. Bereits im Kindergarten und in der Schule war ich größer als gleichaltrige Jungen und Mädchen. Aufgrund meiner langen und mega dünnen Erscheinung wurde ich viel gehänselt. Je älter ich wurde, desto mehr mochte ich nicht „anders“ sein. Meine Eltern unterstützen mich damals wo sie nur konnten, aber mein Selbstbewusstsein war aufgrund der Größe einfach nicht vorhanden. Meine Mama fasste den Entschluss, mit mir zum Arzt zu gehen, um meine mögliche Endgröße feststellen zu lassen. Nachdem die Prognose doch sehr extrem war, wurden wir erstmals weiter zum Gynäkologen überwiesen, um mir die Pille (Hormone) verschreiben zu lassen. Die Pille hätte den Zweck gehabt, die Pubertät und somit auch das Wachstum schneller zu beenden. Der Arzt lehnte es jedoch ab, mir die Pille zu verschreiben, da ich eben noch nicht in der Pubertät war (keine Periode, kein Brustwachstum). Daraufhin verwies mich mein damaliger Kinderarzt weiter nach München, wo wir dann letztlich Hilfe bekamen und viele Informationsgespräche führten. Meine Eltern haben mir diese wichtige Entscheidung überlassen. Dies taten sie, um mich zu unterstützen und mir ein Leben als 2,10m große Frau zu ersparen.

Wie war die Hormontherapie für Dich?

Körperlich veränderte ich mich etwas, aber nicht unbedingt schneller als gleichaltrige Mädchen. Typische Nebenwirkungen einer Hormontherapie wie Übelkeit, Gewichtszunahme, Migräne etc. hatte ich glücklicherweise nicht. Wie jedes pubertierende Mädchen hatte ich auch meine Zickereien und Stimmungsschwankungen. Allerdings war meine erste Periode einfach nur Horror für mich! Ich vermute, dass es an den doch sehr hoch dosierten Hormonen lag.

Wie denkst Du heute darüber?

Ich denke, so eine Entscheidung sollte sehr gut überlegt sein, da es ein Eingriff in die Natur ist. Als 14-Jährige hätte ich wahrscheinlich alles gemacht, um mein Wachstum stoppen zu lassen. Da meine Eltern merkten, wie wichtig mir dieses Thema war, unterstützen sie meine Entscheidung und dafür bin ich sehr dankbar. Meine „kleine“ Schwester ist mit ca. 1,87m auch groß gewachsen und hat keine Hormonbehandlung durchführen lassen. Sie ist auch weitaus souveräner mit dem „Groß sein“ umgegangen und hätte sich gegen eine Therapie entschieden. Heutzutage sind wir stolz auf unsere Größe und gehen auch in hohen Schuhen außer Haus.

Würdest Du eine Hormontherapie auch bei Deinen eigenen Kindern anwenden?

Da meine Kinder sicherlich sehr groß werden, habe ich mir in der Tat bereits Gedanken gemacht: Bei Schätzungen von über 2,10 m bei einem Jungen und über 1,95 m bei einem Mädchen, würde ich meinem Kind die Wahl lassen, ob es eine Therapie machen möchte. Da die Menschen aber grundsätzlich größer werden, ist die Notwendigkeit einer solcher Therapie Ansichtssache. Vor allem sollte man VOR einer Hormontherapie zunächst alle anderen Möglichkeiten wie Gen-Defekte, Tumore auf der Hypophyse etc. ärztlich abklären. Aufgrund meiner Größe wurde nämlich auch bei mir ein Gen-Defekt vermutet. Dieser Defekt heißt Marfan-Syndrom. Auch hierzu besuchte ich einen Arzt der Humangenetik in München. Die Vermutung bestätigte sich Gott sei Dank nicht.

Ich bereue es nicht, die Hormontherapie gemacht zu haben, verstehe aber auch Menschen, die sich gegen eine Therapie entscheiden und auch so gut mit ihrer Größe zurecht kommen.

Vielen Dank Doreen!

Fotos: Oliver Musch