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Alleine verreisen- Gift oder Balsam für die Beziehung?!

Kolumne– Ich kann mich noch gut erinnern. Ich war vielleicht 10 Jahre alt, als ich meine Eltern über Bekannte reden hörte: “Die fahren einmal im Jahr ohne einander in den Urlaub, das geht gar nicht. Ist doch klar, was die da treiben. Dann muss man sich eben trennen, wenn es nicht mehr läuft.” Ja, das war damals ein Riesenskandal bei uns auf dem Dorf. Und (leider) habe ich die Aussagen und Werte meiner Eltern lange Zeit verinnerlicht. Spoiler: heute sind sie geschieden. Während das Paar, das so unverschämt immer alleine verreisen wollte, immer noch glücklich verheiratet ist.

Alleine Verreisen- geht gar nicht!

Ob in meiner ersten Ehe oder den nachfolgenden Beziehungen: für mich war Urlaub immer die Krönung des Paardaseins. Wie eine Art Honeymoon. Alleine in den Urlaub? Das machen doch nur Singles. Aber die schönsten Orte der Welt zu besuchen und sie nicht mit dem Liebsten teilen zu können? Erschien mir sinnlos. Klar, Mädelswochenenden waren ok, aber ganz allein? Never!

Das erste Mal änderte sich meine Einstellung in der Beziehung zum Vater meiner Tochter. Er war beruflich immer unterwegs- und ich war es gewohnt, allein zu sein. Schön war es nicht, aber es hat mich stärker gemacht. Außerdem waren alle Urlaube gemeinsam eine Katastrophe, weil sie mir gezeigt haben, wie wenig wir zusammen passen. Danach, als Alleinerziehende, war Urlaub allein nicht drin. Gut, bis auf diesen einen wahnsinnigen Wochenendtrip.

Heute geht alleine verreisen eben doch

Heute bin ich glücklich liiert- und mein Schatz sitzt gerade im ICE zum Flughafen. Vor ihm liegen 10 Tage Urlaub. Allein. Ich bin mit der schulpflichtigen Tochter zuhause und er liegt auf Lanzarote am Strand. Ich fühle mich mittlerweile ziemlich cool damit. Am Anfang war es zugegebenermaßen ein Schlag in die Magengrube. Eben WEIL wir so gut harmonieren. Doch die Liste der Gründe, die dafür sprachen, war einfach zu lang. Wir sind seit 3 Jahren nicht mehr ins Ausland verreist. Dazu kommt der enorme Stress in seinem Beruf. Auch mein Krankenhaus-Aufenthalt hat so sehr an uns gezehrt. Jetzt kam die Chance: für die nächsten Schulferien bekam er nicht frei. Aber für die zwei Wochen danach.

Ganz ehrlich: es war das Mitgefühl, das überwogen hat. Wenn man jemanden liebt und merkt, dass er dringend eine Auszeit braucht- dann lässt man ihn gehen. Uns wäre ein gemeinsamer Urlaub auch lieber, mir wie ihm. Aber es ist gerade einfach zeitlich nicht möglich. Und dann war mir klar: wenn er jetzt nicht geht, dann geht ihm die Luft aus.

Urlaub ohne Partner:in? Die Mehrheit ist dafür

Zu meiner Instagram Umfrage kamen ganz unterschiedliche Meinungen zum Thema. Insgesamt waren aber 70% für eine Auszeit allein. Für 30% kommt das allerdings nicht in Frage. Das Hauptargument:  die Anzahl der Urlaubstage ist bei den meisten Paaren und Familien eh so knapp, dass man die Zeit dann auch zusammen verbringen möchte.

Und das kann ich so gut verstehen! Es macht auch einen enormen Unterschied, ob man ohne seine:n Partner:in verreist oder ohne seine Familie. Gerade wenn noch Kleinkinder im Spiel sind, kann es für denjenigen, der Zuhause bleibt, sehr sehr anstrengend werden. Ich glaube, dadurch habe ich aber sowieso eine andere Einstellung, nach den Jahren als Alleinerziehende.

Eines habe ich auf jeden Fall gelernt durch die Auseinandersetzung mit dem Thema: man sollte sich nicht davon bedroht fühlen, wenn der Partner eine Auszeit wünscht. Denn ganz offensichtlich hat es meist mehr mit dem Gegenüber zu tun, als mit der Beziehung. Wer gut auf sich achtet und eigenen Bedürfnissen nachgehen kann, ohne dafür vom Partner “bestraft” zu werden, hat alles richtig gemacht. Und plötzlich ist auch die Vorstellung, dass ich einmal ein paar Tage verschwinden darf, ohne jemanden vor den Kopf zu stoßen, ganz nett. Im Endeffekt macht die Dosis das Gift: wenn der Partner nur noch allein weg will, dann wäre das für mich definitiv alarmierend. Die Basis sollte die Gemeinsamkeit sein, nicht das Getrennte. Denn dafür bin ich ja in einer Beziehung. Wenn aber einmal im Jahr der Wunsch entsteht, mal allein zu sein: ja. Versteh ich.

Loslassen & Vertrauen

Ich genieße jetzt eben die Zweisamkeit mit meiner Tochter. Wir machen jeden Tag Mädelstag und finden gerade wieder einen neuen Zugang zueinander. Das hätte ich so nicht gedacht, weil wir ja eigentlich eh immer zusammen sind. Und mein Freund genießt die Stille. Und freut sich auf uns.

Weil Freiraum Nähe schafft.

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