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Vor dem Aus: Friseur:innen im Existenzkampf

Es ist dunkel in deutschen Friseursalons. Eigentlich sogar zappenduster, seit der Corona bedingten Schließung Mitte Dezember. Heute jedoch bleiben die Schaufenster vieler bayerischer Salons hell erleuchtet- zumindest, wenn es nach dem Landesinnungsverband für Friseure geht. “Wir lassen das Licht an“ heißt die Aktion, die auf die alarmierende Situation der Dienstleister aufmerksam machen soll. Die Forderung: eine vorzeitige Öffnung der Salons bereits ab 1. Februar 2021.

Friseur:innen im Existenzkampf

Anna Nalepa-Özer und Jeannine Karlovic

Anna Nalepa-Özer und Jeannine Karlovic vom Ingolstädter Salon Nalepa+Carl haben wenig Hoffnung, dass diese Aktion fruchten wird. “Deswegen bleibt unser Laden dunkel, so wie letzten fünf Wochen auch.” Die beiden Frauen wollten im vergangenen Jahr eigentlich ihr 10-jähriges Salon-Jubiläum feiern, doch die Pandemie machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Und langsam aber sicher steht die Zukunft von Nalepa+Carl auf dem Spiel.

Friseur:innen gehen leer aus

Im ersten Lockdown im April 2020 sind die Friseurinnen noch optimistisch. “Wir haben beide kleine Kinder und redeten uns die vorübergehende Schließung des Ladens als vorgezogene Sommerferien schön, so wie die meisten.” sagt Jeannine. Als dann aber Ende des Jahres der nächste Lockdown vor der Tür steht, wird es zunehmend ernst für die Ingolstädter Unternehmerinnen. Denn Friseur:innen bekommen keine Dezemberhilfen. Für sie ist die sogenannte Überbrückungshilfe III gedacht, die seit Weihnachten beantragt werden kann. Sowohl das Prozedere, als auch die Rahmenbedingungen ändern sich aber ständig, so dass sogar Steuerberater momentan kapitulieren. Außerdem haben viele Friseur:innen im Dezember mehr gearbeitet als sonst, um vor dem Lockdown noch möglichst viele Kunden betreuen zu können. Und genau das wird ihnen jetzt zum Verhängnis, wie auch die Tageszeitung für Friseure “im Salon” schreibt: Voraussetzung für die Hilfe ist nämlich wenigstens 30% Umsatzverlust. Wer fleißig war, den bestraft die Pandemie.

Nalepa+Carl: die Stühle bleiben leer

“Wir haben investiert, haben Trennwände angebracht, Unmengen von Desinfektionsmittel und Masken gekauft. Das Gesundheitsamt war zwei Mal da, alles super. Aber das hilft uns nichts.” Jeannine zuckt mit den Schultern. Tatsächlich hat es im vergangenen Jahr laut Berufsgenossenschaft in den 80.000 Salons in Deutschland nur sechs gemeldete Covid-19-Fälle gegeben. Dies beweise, dass die Hygienekonzepte der Friseurläden gut funktionierten. Trotzdem scheint eine baldige Öffnung weiter unwahrscheinlich. Und das stürzt einige Friseure in den Ruin. “Wenn wir nicht schon seit 10 Jahren im Geschäft wären, könnten wir auch bald zusperren”, erzählt Anna. “Unsere Rücklagen sind aufgebraucht, jetzt geht es an unser Privatvermögen- da müssen auch unsere Ehemänner durch.” Auf meine Nachfrage, was die beiden tun würden, wären sie alleinerziehend, ist die Antwort sehr direkt: “Dann müssten wir noch heute dicht machen.”

Keine Einnahmen- aber Kosten

Nalepa+Carl hat jeden Monat Fixkosten im fünfstelligen Bereich. Versicherungen, Abgaben, Gehälter, Steuervorauszahlungen- alles läuft weiter. Auch ihre zwei Auszubildenden können und wollen die Frauen nicht im Stich lassen. “Aber: ehrlicherweise steht die Zukunft unserer beiden Lehrlinge in den Sternen. Ob sie die Prüfung schaffen, ohne die tägliche Praxis, und ob wir sie übernehmen können- wir wissen es nicht.” Es gibt aber auch kleine Lichtblicke für die beiden Friseurinnen, zum Beispiel die Kulanz ihres Vermieters. “Wir sind ihm sehr dankbar. Schon seit dem ersten Lockdown kommt er uns immer wieder entgegen. Im April 2020 hat er uns die gesamte Miete erlassen, das restliche Jahr bis heute mussten wir lediglich die Hälfte bezahlen. Den Februar 2021 will er uns wieder erlassen.”

Kunden werden ungeduldig

Und dann sind da noch die Kunden, die die beiden Frauen teilweise schon seit einem Jahrzehnt begleiten. “Ja, wir bekommen täglich Nachrichten, ob wir nicht einfach mal ‚privat’ mit der Schere vorbei kommen könnten ,” schmunzelt Anna. Natürlich sei das aber nicht erlaubt, deswegen bieten die beiden kurzerhand Produkte an, die die Pflege der Haare zuhause erleichtern- bis zum nächsten Termin beim Profi. “Wir verkaufen Shampoos und Kuren, aber auch Farben, Bürsten und Kosmetik über Instagram.” Ein Tropfen auf den heißen Stein, aber wenigstens gut für die Moral. Denn das Licht, das wird bei Nalepa+Carl erst wieder Mitte Februar angehen- frühestens.