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BALI Calling: Meine An- und Abtörner der Insel

Leben auf Bali, ein Traum! Oder? Spoiler: es ist großer Unterschied, ob Du Bali aus der Brille eines Urlaubers oder eines Expats betrachtest. Denn was Du während einer zweiwöchigen Auszeit überhaupt nicht mitbekommst, kann Dich bei einem Langzeitaufenthalt in den Wahnsinn treiben. Ich selbst bin alleinerziehende Mama und verbringe seit 2017 einen Großteil meiner Zeit auf Bali.

Unsere Nachbarschaft in Ubud

Das macht Bali zum Paradies

Starten wir direkt mit den Gründen, warum Bali für mich der allerbeste Ort auf der ganzen Welt ist.

1. Freiheit

Ich erlebe auf Bali jede Menge Freiheit, die ich so aus Deutschland so nicht kenne. Besonders im Kindergarten ist mir das aufgefallen.: wir mussten uns zu nichts verpflichten. Eine Einrichtung konnten wir sogar tageweise bezahlen. Dadurch durften wir jeden Tag aufs Neue entscheiden, ob Kinderbetreuung angesagt ist oder nicht. Was mir noch ein wunderbares Gefühl der Freiheit gibt, ist das “Fremdsein”. Ich gehöre offensichtlich nicht in diese Kultur und niemand will mich integrieren. Die Balinesen sind offen und laden Ausländer zu ihren Festen ein- bei Absagen sind sie aber nicht böse oder gar beleidigt. Bis heute spreche ich kaum Indonesisch und im Tempel war ich erst ein einziges Mal. Versteh mich nicht falsch: ich respektiere die Traditionen und den Glauben auf Bali. Ich finde es wunderschön, wie die Menschen ihre Kultur pflegen. Aber ich bin nicht aus meiner Kultur ausgebrochen, um Teil einer anderen zu werden. Und hier wird das glücklicherweise nicht von mir erwartet.

2. Gastfreundschaft

Als wir im Juli 2017 in Ubud angekommen sind, wurden wir sofort unter die Fittiche genommen. Die Besitzer unserer Unterkunft verhielten sich fast wie Mutter und Vater bzw. Großmutter und Großvater. Dabei waren sie nie aufdringlich. Sie nahmen uns mit dem Auto mit zum nächsten Supermarkt und zur Bank. Sogar die Geburtstagsfeier für meine Tochter organisierten sie. Ich fühlte mich direkt geschützt und geborgen. Und dieses Gefühl habe ich auf Bali bis heute. Die Menschen sind herzlich und hilfsbereit. Als Fremde:r wird man auf Bali sehr schnell ins Herz geschlossen und zur Familie gezählt. Schnell kommen die ersten Einladungen zu Hochzeitsfeiern und anderen Festen- das kenne ich aus anderen asiatischen Ländern, wie zum Beispiel Thailand, nicht.

Autorin Julia mit Tochter Amelie und Freundin Ayu (von rechts nach links)

3. Preis-/Leistungsverhältnis

Ok, ich schreibe diesen Punkt jetzt zum dritten Mal um. Denn die Preise für Lebensmittel, Benzin und Mieten schießen gerade massiv nach oben. Außerdem bin ich zur Zeit auf Haussuche und habe mir die letzten Tage einige Objekte angesehen. Während der Corona-Krise standen viele Unterkünfte leer und ihr Zustand ist eher schlecht. Trotzdem sind die Preise auch hier gestiegen. Während ich also bis gestern über das Preis-/Leistungsverhältnis der Insel genervt war, tun sich heute völlig neue Chancen auf. Plötzlich finde ich 2-Zimmer-Villen unter 800 Euro. Heute früh hatte ich für 2,5 Stunden einen Fahrer und musste nur 15 Euro bezahlen. Eine einstündige Massage bekomme ich auf Bali zum Schnäppchenpreis und zahle 10 Euro für 60 Minuten. Du siehst also, das Leben ist günstig. Selbst als Alleinerziehende kann ich uns hier eine exzellente Privatschule, Bio-Essen und eine schnuckelige Pool-Villa bezahlen. Wenn Du genau wissen willst, was ich im Monat so ausgeben und wie die Preise auf Bali sind, dann schau gerne in meinen Beitrag BALI Calling: Was kostet (m)ein Leben in Ubud?

Wöchentlicher Spabesuch? In Ubud kein Problem

4. Vielfältigkeit

Im Herzen bin ich eine Abenteurerin. Hätte ich kein Kind, dann würde ich wahrscheinlich wieder irgendwo im Dschungel Sumatras leben. Aber als Mama möchte ich meine Tochter ohne größere Gefahren und etwas zivilisierter aufwachsen sehen. Bali ist für mich der perfekte Kompromiss: es gibt hier immer noch weite Flächen mit wilder Natur. Tatsächlich lässt sich das Grün auf der Insel kaum bändigen. Trotzdem finde ich auf Bali neben dem Dschungel auch Strände, Vulkane und- Shoppingmalls. Ich kann mir ein T-Shirt bei H&M kaufen und anschließend auf einem traditionellen Markt ein paar Früchte holen. Das einfache Leben findet direkt nebenan statt. In den Bewässerungskanälen und Flüssen nehmen manche Einheimische ihre Dusche und waschen ihre Wäsche. Fließend Wasser ist auf Bali nicht überall eine Selbstverständlichkeit. Zeitgleich gibt es die exklusiven Luxusresorts, Designer-Villen und Infinity-Pools. Dank der Vielfältigkeit ist auf Bali für jeden das Richtige dabei.

Traumhafte Strände auf Bali

5. Applaus

Mein wichtigstes Pro kommt zum Schluss. Ich nenne es Applaus. Was ich damit meine? Auf Bali wirst Du immer jemanden finden, der Dich bejubelt. Egal, wie merkwürdig, außergewöhnlich oder riskante dein Vorhaben ist- Du wirst darin bestärkt. So habe ich mir zum Beispiel vor rund drei Wochen in den Kopf gesetzt, dass es Zeit wird, mehr oder weniger in Rente zu gehen. Mit 41. Als ich das mit deutschen Freunden und Familienangehörigen besprochen haben, kam:

  • Wie soll denn das gehen?
  • Wovon willst Du denn leben?
  • Na, wenn Du meinst…

Bei meinen Freunden auf Bali war die Reaktion ganz anders:

  • Zeit wird es, dass Du endlich nicht mehr so viel arbeitest.
  • Mensch, super! Kennst Du XY und XY? Die haben sich jetzt innerhalb kürzester Zeit mit XY ein passives Einkommen aufgebaut. Wenn Du möchtest, stelle ich den Kontakt her.
  • So cool, wie sich Dein Mindset in den letzten Monaten verändert hat.

Spürst Du beim Lesen der Zeilen, was ich mit Applaus meine? Kannst Du die unterschiedliche Energie fühlen? Das Allergeilste auf Bali ist meiner Meinung nach der Push nach vorne, den sich die Leute hier gegenseitig liefern. Durch den Aufwind direkt am Anfang einer Idee, wird hier viel mehr umgesetzt. Natürlich scheitern auch viele Projekte, aber das ist nicht schlimm. Dann versucht man einfach etwas Neues. Denn im Gegensatz zu anderen Orten der Welt hält der Applaus selbst beim Fail an. Niemand wird ausgelacht oder ausgestoßen, bloß weil Projekte nicht wie geplant funktionieren.

Das sind meine Aufreger auf Bali

Klar, wo Licht ist, ist auch Schatten- und gibt natürlich auch Dinge auf Bali, die mich regelmäßig zur Weißglut treiben.

1. Feiertage

Sollen sie feiern, wie sie wollen. Auf Bali ist gefühlt jeden zweiten Tag irgendein Feiertag. Passt für mich, wenn ich nicht direkt davon betroffen wäre. Doch oftmals haben die Balinesen den nächsten Feiertag irgendwie nicht richtig auf dem Schirm. Du lieferst Kleidung in der Reinigung ab und versicherst dich, dass Du die gewaschene Wäsche am nächsten Tag abholen kannst. Dann ist die Reinigung aber für drei Tage geschlossen– wegen Feiertag. Oder die Nanny sollte um 9 Uhr kommen. Stattdessen gibt sie um 9:10 Bescheid, dass sie im Tempel ist. Für solche Scherze bin ich zu deutsch- Sorry, aber meine Flexibilität hat Grenzen.

Traditionen & Feiertage – it’s a Bali thing

2. Fehlende Privatsphäre

Du liegst oben ohne im eigenen Garten und der Vermieter reißt unvermittelt die Haustüre auf. Oder Du kommst gerade aus der Dusche ins Schlafzimmer und der Putzmann steht mitten im Raum. Auf Bali kann Dir das jederzeit passieren. Genauso wie die Frage nach Deinem Einkommen oder das permanente Erkundigen, wohin man geht oder woher man kommt. Privatsphäre wird hier nicht so ernst genommen. Ich denke, dass es am Leben in der Großfamilie liegt: da ist ein Rückzug kaum möglich. Ich verstehe also, dass es nicht böse gemeint ist, wenn meine Privatsphäre überschritten wird. Dennoch bin ich manches Mal so genervt davon, dass ich ausrasten könnte.

3. Interpretation von Sauberkeit

Das Verständnis von Hygiene und Ordnung zwischen Bali und Deutschland ein komplett unterschiedliches. Mit dem Besen wird gerne mal das Bett abgekehrt. Für Boden und Tisch wird der gleiche Lappen benutzt. Und ich habe auch schon einmal unseren Küchenschwamm im Badezimmer gefunden. Die völlig andere Wahrnehmung von Sauberkeit irritiert mich immer wieder. Bei Dingen, die für mich logisch erscheinen, gehen die Ansichten oft weit auseinander. Es ist mir schon zig Mal passiert, dass ich dachte, es gäbe kein heißes Wasser. Denn regelmäßig scheinen Installateure einfach die Blau-Rot-Regel zu ignorieren. Du drehst den Wasserhahn auf Rot und schnappst wegen des eiskalten Schauers nach Luft. Beim Umschwung auf Blau verbrühst Du Dir den Rücken. Im Urlaub kann ich über solche Dinge hinwegsehen. Im Alltag bringen sie mich manchmal um den Verstand.

4. Überfüllte Straßen

In den Feiertagen nach dem Ramadan wurde Bali von Urlaubern überrannt. Der Verkehr war eine einzige Katastrophe. Und je mehr Normalität nach Corona wieder einkehrt, desto massiver werden die Staus. Es ist keine Seltenheit, dass Du auf Bali eine Stunde für 30 km brauchst. Die Straßen sind viel zu eng für Auto und Trucks. Dazwischen schlängeln sich die Motorräder durch. Während die letzten beiden Jahre entspanntes Fahren an der Tagesordnung war, ist jetzt wieder Vorsicht geboten. Die Unfallgefahr steigt täglich. Das liegt daran, dass hier jede:r fährt, wie es ihm bzw. ihr gefällt. Zugegeben, auch ich finde mittlerweile auch Spaß daran, entgegen der Einbahnstraße zu cruisen. Aber je mehr Verkehrsteilnehmer unterwegs sind, desto unübersichtlicher wird die Lage. In den letzten beiden Wochen habe ich wieder Touristen mit den typischen Verkehrsunfall-Verletzungen gesehen. Gerade als Neuankömmling ist es besser, sich erst einmal fahren zu lassen, bevor man sich selbst ans Steuer setzt.

Der ganz normale Roller-Wahnsinn

5. Fehlende Freundschaften und Kontinuität

Unser Leben auf Bali verändert sich immer wieder radikal. Gerade, wenn wir uns in eine neue Situation eingefunden haben, kommt eine neue Hiobsbotschaft. Dann wird von heute auf Morgen der Kindergarten geschlossen, weil nicht mehr genügend Schützlinge da sind. Die Nanny fliegt innerhalb von drei Tagen für zwei Jahre nach Dubai. Die drei besten Freunde meiner Tochter verlassen gleichzeitig die Schule, Freunde ziehen an den Strand oder gehen in ihre Heimatländer zurück. Kurz gesagt, es ist schwierig einen stabilen Freundeskreis und ein geregeltes Leben auf Bali aufzubauen. Glücklicherweise haben wir ein paar enge Kontakte, die sich über Jahre stabil halten. Dennoch fehlen mir manchmal Menschen, denen ich blind vertraue. Eltern und Verwandte sowie Freunde, die einen seit der Kindheit begleiten. Das Netz, dass ich in Deutschland automatisch hätte, wächst auf Bali über Jahre. Niemand wird mir jemals meine Familie ersetzen können und das tut manchmal ganz schön weh.

Freundschaften und tiefe Verbindungen- leider oft Mangelware

Fazit: Bali ist nicht perfekt – aber nah dran

Auf Bali fühle ich mich beschützt, leicht, glücklich und zufrieden. Selbst wenn ich manches Mal andere Verkehrsteilnehmer vom Roller aus anbrülle. 😉 Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, irgendwo anders dauerhaft zu leben. Denn die Energie, die mir diese wundervolle Insel im Indischen Ozean schenkt, ist einzigartig. Da kann ich auch mit weniger Privatsphäre und Kehrbesen im Bett leben.

Viel Grüße aus Bali,

Deine Julia


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